Automobil Revue September 1990
Alfa Romeo Spider 2.0
ungewöhnlichen Formgebung mit dem spitz auslaufenden Heck, sondern auch wegen der langen Produktionszeit. Im Frühling 1966 wurde der offene Zweisitzer auf dem Genfer Salon präsentiert, und zwar zunächst noch ohne offizielle Bezeichnung. Die Italiener nannten dieNeuschöpfung kurzerhand «Osso di Sepia» (Tintenfischknochen oder -schulp) und Duetto war sein Name, als die Serienfabrikation anlief. Dies währte aber nicht allzu lange, denn bereits 1968 hiess die leistungsfähigere Version 1750 traditionsgemäss wiederum Spider. Anfang der siebziger Jahre wurde das abfallende Rundheck einem senkrechten Abriss geopfert, und ab 1983 thronte ein unübersehbarer Spoiler auf dem Kofferdeckel. Der längst zum langhubigen Zweiliter avancierte Doppelnockenwellen-Vierzylinder erwies sich ursprünglich als sehr kraftvoll, doch scharfe Abgasvorschriften in den USA und später dann auch in der Schweiz bremsten den Elan dieser Leichtmetallmaschine.
In Ermangelung eines Nachfolgers - entsprechende Studien wurden zwar gezeigt - , machte sich Pininfarina ans Werk, und modellierte das Spider-Heck erneut um, derweil die Ingenieure in Mailand auf die PS-Suche für die katalytisch gereinigte Version gingen.
Das Resultat der Bemühungen wurde zu Beginn dieses Jahres auf den Auto-Shows von Los Angeles und Detroit und kurz darauf am Genfer Salon präsentiert. Kein Zweifel, die kosmetischen Retuschen an Front und vor allem am Heck sind gut gelungen und harmonieren ausgezeichnet mit dem zwischen den Achsen unveränderten Wagenkörper, dessen Entstehungs-Epoche durch die runden Scheinwerfer und vor allem die dreieckförmigen Fensterflügelchen verraten wird. Auch das Interieur präsentiert sich in nochmals verfeinerter Machart, und zum Schutze der Insassen erhielt der Spider ein Kniepolster und für den US-Export sogar einen Airbag im Lenkrad-Pralltopf.
Motorseitig wurde das Zweinockenwellen-Triebwerk mittels hoher Verdichtung und Bosch-Motronic-Einspritzung inklusive Lambdasonde und Dreiwegkatalysator auf den Stand zeitgemässer Abgastechnik und auf 120 PS gebracht. Nach wie vor und insbesondere für den einheimischen Markt wird der Spider aber weiterhin auch noch ohne Katalysator (126 PS) und als 1.6 mit 1570-cm3-Maschine gebaut, die nach altbewährter Manier mittels zweier Horizontal-Doppelvergaser alimentiert wird und auf 109 PS kommt.
In der Schweiz kostet der Zweiliter-Spider inklusive Servolenkung, elektrischen Fensterhebern, Leichtmetallfelgen und Differentialbremse 32 500 Franken, Die Aufpreisliste umfasst Echtleder-Ausstattung (+1700 Fr.), Hardtop (+2500 Fr.) und Metalliclackierung (+ 600 Fr.) sowie Radio-Kassettengerät nach freier Wahl.
Klassiker
Es ist immer wieder erstaunlich, wie, Pininfarina mit wenig Aufwand aus einem bestehenden Design das Beste herausholt. Dass man es aber nicht mit einem brandneuen Produkt zu tun hat, wird einem bereits beim Platznehmen gewahr. In den körpergerecht geformten Sitzen fühlt man sich zwar auf Anhieb wohl, doch der Längen-Verstellbereich kann gerade noch für mittelgross gewachsene Personen als genügend taxiert werden. Und die über den grossen Rundarmaturen (Geschwindigkeit und Drehzahl) plazierten Zusatzinstrumente dürften nur für Personen unter 170 cm gänzlich einzusehen sein. Dass der Spider vor bald dreissig Jahren nicht für derart lange Insassen, wie sie heute die Norm darstellen, konzipiert wurde, kann ihm zwar als Nachteil angelastet werden, doch um Abhilfe zu schaffen, bedürfte es teurer Änderungen an der Bodengruppe.
Auf einen komplizierten und teureren Verdeckmechanismus verzichtet der Spider. Nach Öffnen der beiden Entriegelungshebel am oberen Windschutzscheibenrahmen lässt sich das Verdeck - ohne auszusteigen - mit einer Armbewegung hinter die Sitze in eine geräumige Mulde versenken. In dieser könnten zur Not auch Kinder Platz nehmen, sofern zur Schaffung von etwas Fussraum die Fauteuils nach vorn gerückt werden.
Im recht ausladenden Heck bietet der Spider - zusätzlich zum Raum unmittelbar hinter den zwei Sitzen - ein kubisches Kofferabteil, das allerhand Gepäck schlucken kann. Damit eignet sich der offene Alfa Romeo auch für ausgedehnte Ferienreisen zu zweit.
Sauber und geräuscharm
Gehörten die Antriebsaggregate des renommierten Herstellers aus Mailand früher stets zu den sportlichen im Lande, so gilt das für den zünftig entgifteten Motor des Spiders nicht mehr in gleichem Masse. An Drehfreudigkeit hat der mit recht langem Hub von 88 mm operierende DOHC-Vierzylinder sichtlich verloren, im obersten Bereich wirkt der früher doch so quirlige Motor etwas zugeschnürt. Daran beteiligt dürfte zum grossen Teil die applizierte Elektronik sein, die dem Zweiliter nur gerade die absolut erforderliche Benzinmenge und Vorzündung zubilligt, was bei früher geprüften Vergaser-Exemplaren offensichtlich weit weniger der Fall war.
Die Akustik ist als direkte Folge der scharfen helvetischen Lärmvorschriften erheblich diskreter geworden. Nutzen daraus ziehen die übrigen Strassenbenützer und geplagte Anwohner vielbefahrener Strassen - aber Hand aufs Herz, auch die Wageninsassen selbst.
Der kernig klingende, teils laut röhrende Alfa-Vierzylindersound reduziert sich beim neuesten Spider zu einem sympathischen, sonoren Laufgeräusch. Geblieben ist das arttypische Klangbild, das bei geschlossenem wie geöffnetem Verdeck wie Begleitmusik tönt.
Flottes Sportcabrio
Gibt man dem 2.0 aber die Sporen und treibt den Drehzahlmesser in den orangen, ja gar roten Bereich, so tritt das ursprüngliche Temperament zutage. 0-100 km/h absolvierte unser geprüftes Exemplar in 10,7 s, 140 km/h waren nach 21,1 s erreicht und der Kilometer mit stehendem Start in 31,9 s durchfahren; nach längerem Anlauf verharrte die Digitalanzeige auf immerhin 192 km/h. Bis auf den 0-100-Wert (9,4s) stimmen die registrierten Fahrleistungswerte mit den Vorgaben überein, wobei zu vermerken ist, dass die 0-100-Zeit werkseitig nach oben (ca. 10,5 s) korrigiert werden soll.
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